Stellen wir uns die Frage, wie Erziehung auszusehen hat, damit bestimmte Ziele erreicht werden können? Oder fragen wir uns, welche Ziele das sind, die wir erreichen wollen? Sind sie festgelegt? Von wem? Wozu werden wir erzogen? Zu gebildeten Menschen? Schon Theodor W. Adorno hat bemerkt: “In dem Augenblick, da man fragt: ‘Erziehung - wozu?’, wo dieses ‘wozu’ nicht mehr selbstverständlich, naiv gegenwärtig ist, gerät alles in Unsicherheit und bedarf schwieriger Reflexionen”[1].
Was ist diese Erziehung, von der wir erst schwierig reflektieren müssen, wohin sie führen soll? “Eben nicht sogenannte Menschenformung, weil man kein Recht hat, von außen her Menschen zu formen; nicht aber auch bloße Wissensvermittlung, deren Totes, Dinghaftes oft genug dargetan ward, sondern die Herstellung eines richtigen Bewusstseins.” Denn “eine Demokratie, die nicht nur funktionieren, sondern ihrem Begriff gemäß arbeiten soll, verlangt mündige Menschen.” Und die “Konkretisierung der Mündigkeit besteht darin, daß die paar Menschen, die dazu gesonnen sind, mit aller Energie darauf hinwirken, daß die Erziehung eine Erziehung zum Widerspruch und Widerstand ist.” Zur Reflexion, zum Widerspruch, zum Denken, zum Urteilsvermögen, zur Selbstbestimmtheit erzogene Menschen sind im Sinne der Emanzipation gebildete Menschen.
Diskussionen über Ziele von Bildung und Erziehung, oder ihr zugrundeliegende Werte, bleiben leer ohne Reflexion der konkreten Bedingungen ihrer gegenwärtigen Misere. Denn hehre Vorsätze haben die Pädagogik seit je geprägt, während sie stets Erfüllungsgehilfin herrschender Verhältnisse blieb.
Ist das gesamtgesellschaftliche Ziel ein selbstbestimmtes Leben ohne Leid, fällt es in den Bereich von Bildung und Erziehung, den individualpsychologischen Aspekt der Selbstbestimmung in allen zu entwickeln. Dazu muss sie zum einen durch veränderte Verhältnisse befähigt werden, ermöglicht zum anderen aber auch erst bestimmte Ausprägungen menschenwürdigerer Verhältnisse. Wieder Adorno: “[E]ine Demokratie, die nicht nur funktionieren, sondern ihrem Begriff gemäß arbeiten soll, verlangt mündige Menschen.” Und die “Konkretisierung der Mündigkeit besteht darin, daß die paar Menschen, die dazu gesonnen sind, mit aller Energie darauf hinwirken, daß die Erziehung eine Erziehung zum Widerspruch und Widerstand ist.” Damit lässt sich beginnen.
Begonnen haben wir mit vier Projekten:
1 Seit 2018 organisieren wir Dialogveranstaltungen, vormals unter dem Namen Agora, jetzt als Assoziation:E:n. Basierend auf wissenschaftlich fundierten Inputs und einer assoziativen Gesprächsform geht es hier um den Austausch von Perspektiven, die Ausarbeitung gemeinsamer Standpunkte und die Reflexion gemeinsamer Praxis.
2 Die Desorientierungstage sind offene Seminare in München, in denen Grenzen hinterfragt und Beschränktheit sabotiert werden. Studierende unterschiedlichster Fächer stellen in unterschiedlichen Formaten die gesellschaftliche Sprengkraft ihrer Themen zur Diskussion.
3 Das Werkstatt-Konzept Who Cares? richtet sich an Gruppen, in denen Menschen füreinander da sind und dabei von Erkenntnissen der (Reproduktions-)Arbeits- und Geschlechterforschung lernen möchten. Who Cares? (ist) konzipiert (für) soziale Räume, in denen Menschen emanzipatorische Ansätze zur praktischen Bewältigung von Fürsorgearbeit ausprobieren und weiterentwickeln.
4 Das Praxisseminar Psyche und Alltag erkundet die Auswirkungen von Alltag auf Psyche und bildet ein kritisches, emanzipatorisches Verständnis der psychischen Zustände und Zuschreibungen unserer Zeit aus.
Kontaktieren Sie uns gerne, falls Sie diese Spuren mit uns weiterverfolgen wollen:
[1] Alle Zitate stammen aus: Adorno, Theodor W. Erziehung zur Mündigkeit: Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959 bis 1969. Suhrkamp Verlag, 2013.
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